Die Ausstellung

In einem anthropologisch-kunsthistorischen Ansatz versucht das Museum Bautzen der künstlerischen Auseinandersetzung mit Obdachlosigkeit nachzugehen, wie sie in einigen Arbeiten von Ernst Barlach (1870–1938), Reinhard Springer (geb. 1953 in Dresden) und Shinya Arimoto (geb. 1971 in Osaka) nachvollzogen werden kann.

Auf seiner zweimonatigen Russlandreise im Jahre 1906 war Ernst Barlach unter anderem von Bettlern beeindruckt, zu denen er ein ambivalentes Verhältnis entwickelte. Er arbeitete die Gebrochenheit dieser Bettler heraus und betonte andererseits in seinen Zeichnungen und auch in den später danach entstandenen Plastiken die Würde der Einzelnen. Die dargestellten Bettlerinnen und Bettler werden bei ihm darüber hinaus auch würdevolle Symbole für menschliche Bedürftigkeit nach Liebe, nach Erkenntnis und ganz profan: nach Lebensmitteln.

Menschen, die am Rande der Gesellschaft leben, trifft man auf der Straße, eher als im TV oder der App, auch wenn es sowas gibt. Diese Erfahrung machte Reinhard Springer (geb. 1953 in Dresden), der seit 1989/90 wahrnahm, dass neuerdings Bettler und Obdachlose das Straßenbild Dresdens mit prägten. Unter dem Titel „Homeless“ befasste er sich mit diesen Menschen am Rande der Gesellschaft, hielt das Gesehene in Zeichnungen und darauf fußenden Druckgrafiken fest. Seine Arbeiten entziehen sich flüchtigen Blicken, sie widersetzen sich er Oberflächlichkeit. Ähnlich wie bei Barlach kommt in den früheren Arbeiten des Homeless-Projektes die menschliche Würde der Dargestellten zum Ausdruck. Doch es gibt Übergänge zu hoffnungslosen Perspektiven in einzelnen Arbeiten aus den Jahren 2001 und 2002.

Shinya Arimoto (geb. 1971 in Osaka) nimmt u. a. die Obdachlosen Tokios, Osakas und anderer japanischer Städte fotografisch auf: in Parks, an Flüssen, an Bahnhöfen, auf Straßen. Auf einem anderen sozialen Niveau als Barlach oder Springer es beschreiben, symbolisieren die Fotografien Arimotos, eingebettet in die japanische soziale Umwelt und kulturelle Heimat, die Bedürftigkeit der Obdachlosen. Seine Abbildung von Bedürftigkeit, klagt vielleicht stärker an, betont die soziale Situation stärker. Die Abbildung der harten gelebten sozialen Realität erfährt durch das zwangsläufige Einbeziehen des Umfeldes eine Verdichtung und Konkretisierung. Dabei wird auch in den Fotos von Arimoto deutlich: wie schon bei Barlach und Springer zeigt er Menschen mit Würde.

Anlässlich des 150-jährigen Bestehens des Bautzener Museums sollen ausgewählte Arbeiten der drei genannten Künstler in der besonderen Ausstellung einander gegenüber bzw. nebeneinander gestellt werden. Alle drei Herangehensweisen der drei Künstler konfrontieren den Betrachter mit demselben Ausgangspunkt: mit der kruden Realität des Verlustes an sozialen und geistigen Lebensmitteln.